Sophia Heins

Sophia Heins - Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin

SMYW - See my world – Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin

Aufgewachsen in einer oberfränkischen Kleinstadt folgte ich Ende 2016 den Ruf meiner Berliner Wurzeln: Mein Großvater, geboren in Berlin, hatte einst den Weg nach Bayern zurückgelegt. Nach meinem Abitur und der Ausbildung zur Bekleidungstechnikerin wanderte ich auf umgekehrtem Weg in die Spreemetropole, die mich als queeren Menschen mit dem Versprechen von Vielfalt und freier Entfaltung lockte. Meine Identität als Transfrau bedeutete stets, für meine Rechte und meinen Anspruch auf Glück kämpfen zu müssen. Der Prozess, sich gesellschaftlichen Geschlechterrollen und den damit verbundenen Normen entgegenzustellen, hat meinen kreativen Weg und meine ästhetische Ausdruckskraft entscheidend geprägt.

Meine Arbeit ist stets ein Akt der Balance zwischen öffentlicher Repräsentation und persönlicher Integrität. Meine Mode erzählt somit auch die Geschichte der kontinuierlichen Selbst-Findung. Dieser Weg ermöglicht mir eine spezielle Perspektive auf diverse Lebenswelten: Durch mein Bedürfnis für mehr queere Sichtbarkeit wird auch ein Inklusionsgedanke fruchtbar, der mein gestaltendes Wirken bereichert. Und ich daher auch etwas zurückgeben kann. Dafür bin ich dankbar.

Kollektionsbeschreibung

Das Übergeordnete Thema meiner Bachelor-Kollektion ist „Inclusive Design“, auch „Universal Design“ oder „Design for all“. Der Grundgedanke hierbei ist, eine möglichst große Menge an unterschiedlichsten Personen durch ein Produkt anzusprechen – und dabei gleichzeitig ihre vielfältigen Fähigkeiten und Bedürfnisse zu berücksichtigen. Inklusion bedeutet eine Einbindung aller denkbaren Gruppen, mit besonderem Augenmerk auf marginalisierter Communities.

Um keine Reproduktion von stigmatisierenden Effekten zu bewirken, war es mir in der Designentwicklung wichtig, Kleidung für körperlich beeinträchtige Menschen auf eine Art zu gestalten, welche keinen Schwerpunkt auf die Beeinträchtigung selbst legt. Mein Ziel war es daher, Inclusive Design nicht gleich als solches zu erkennen.

Fokus meiner Kollektion liegt auf das „Sehen“ bzw. „Nicht-Sehen“ und wie sich dieser Faktor auf Mode auswirken kann. Gemäß der Grundidee „Nichts für uns ohne uns“ arbeitete ich eng mit Betroffenen mit Sehbeeinträchtigungen zusammen, um herauszufinden welche Anforderungen kontemporäre Mode für sie haben muss, um diese selbstständig erfahren zu können. Es ging hierbei aber auch um eine Vermittlung dessen, was ich selbst als sehende Person mit meinem subjektiven Empfinden in der Umwelt wahrnehme. Die Inspiration für die digitalen Stoffprints kam daher von alltäglicher Kunst, die ich in Berlin gesucht, entdeckt und mit meiner Kamera festgehalten habe. Diese Dynamik eröffnet eine spezifische Form der Kunst-Vermittlung und gewährt gleichzeitig Einblick in meine ästhetische Erlebniswelt. Um anschließend die visuelle Barriere der zweidimensionalen Drucke zu überbrücken, wurden Applikationen, Steppnähte sowie Druckfolien verwendet, um sie haptisch erlebbar zu machen.

Des Weiteren wurden Knöpfe durch Magnetsysteme ersetzt, die ein einfaches An- und Ausziehen der Kleidung unabhängig der körperlichen oder psychischen Fähigkeiten des Tragenden ermöglicht. So profitieren beispielsweise auch Menschen mit einer rheumatischen Erkrankung von den selbstschließenden Knopfleisten.

Mir war es zudem wichtig, intensive Farben in die Kollektion zu integrieren, da Blindheit nicht zwangsläufig mit einem Verzicht von Tragen bunter Kleidung einhergeht. Durch die Befragung Betroffener erfuhr ich zu meiner Überraschung, dass Farben eine wichtige Rolle bei der täglichen Auswahl der Kleidung spielen. Sie spiegelt beispielsweise wider, wie sich die Person an dem Tag fühlt bzw. welche Farbe diejenige sprichwörtlich braucht.

Das persönliche Ziel meiner Abschlussarbeit war es, Menschen in den Designprozess zu inkludieren, die bisher wenig bis keine Berücksichtigung erfahren haben. Gleichzeitig soll ihnen aber auch die Möglichkeit gegeben werden, gesehen zu werden. Für das Foto-Shooting meiner Kollektion posierten konsequenterweise zwei Sehende mit zwei Models mit Seheinschränkungen.

Ich empfand diese Zusammenarbeit sehr inspirierend und konnte für mich selbst viel daraus mitnehmen. Ich wünsche mir daher, dass meine Mode eine Verbindung zwischen den Menschen herstellen kann und sie einen sprichwörtlich berührt. Denn das Leben ist bunt!

Credits – Fotos: Ansgar Schwarz, Alicia Pfeifer, Models: Oliver Schweitzer, Silja Korn, Greta Czernak, Esé Oghene, Modelagentur: Wir sind uns UG,Assistenz: Marie-Claire Devoil