Anna-Lena Becker, BA

Anna-Lena Becker, BA - AMD Akademie Mode & Design

übrigbleiben – AMD Akademie Mode & Design

übrigbleiben – Anti-Design als Transformationsanstoß in einer krisendurchzogenen Welt – Konzepttext – Anna-Lena Becker

Die Kollektion übrigbleiben ist aus dem Bewusstsein entstanden, dass alles, was unsere Umgebung formt, als Ausbeutung angefangen hat und als Müll enden wird. Übrigbleiben ist eine experimentelle Suche nach einer Gestaltungspraxis, die die Charakteristik des in unserer Welt omnipräsenten Mülls bewusst einschließt und den konventionellen Begriff von Design dabei infrage stellt. Design ist die Ausweitung menschlicher Existenz, und menschliche Existenz hinterlässt Abfall.
Die Zeit, die wir gerade erleben, das Anthropozän, ist geprägt von Krisen und drängt auf Wandel. Eine der existenziellsten Krisen der Mode ist heute, dass sie fast ausschließlich von der Konsumgesellschaft vereinnahmt wurde und daher so viel Abfall produzieren kann wie noch nie zuvor. Übrigbleiben hat Reste dieser Gesellschaft gesammelt und als etwas Eigenmächtiges installiert.
Die Materialien sind allesamt Überreste, jedes mit einer eigenen Geschichte übers Übrigbleiben. Im Experimentierprozess wurden verschiedene Zero- Waste Prinzipien ausprobiert, sowohl über den Schnitt als auch über Materialmanipulation. Auf der Suche nach Formen und Silhouetten, die vertraute Hierarchien von Bekleidung auflösen sollen, wurde sich einer multiperspektivischen Betrachtungsweise angenähert. Die Kollektion ist nicht in Outfits entstanden und viele der Kollektionsteile sind interpretierbar. Die entstandenen Teile sollen nicht festgelegt sein, damit man gefordert ist, mit den Überresten zu interagieren und sie nicht als gegeben hinzunehmen. Inspiriert von der Theorie des Social Design, der Philosophie des Neuen Materialismus und den Wesenszügen des Ausgestoßenen, Abgewerteten und Hässlichen ist eine Kollektion entstanden, die eine Art von Anti-Design darstellt. Mit der Art, wie gestaltet wurde, wurde auf eine konkrete gesellschaftliche Eigenart reagiert, um sie zu verändern. Der Gestaltungsprozess wurde vorrangig durch das Übriggebliebene beeinflusst und sollte kein Akt anthropozentrischer Selbstermächtigung sein. Der Charakter des Übriggebliebenen hat dabei das Potenzial, Identitätsgrenzen unserer Gesellschaft einzureißen. Die existenzielle Krise des Mülls wird als existenzielle Krise des Menschen erkannt und es wird versucht, diese als Gleichgesinnte zu lösen. Design ist ein mächtiges Werkzeug, wenn es darum geht, Gesellschaften und ihr Verhältnis zur Natur zu gestalten. Nach dem Prinzip: „Wir sind das, was wir hinterlassen.“ wird mit dieser Kollektion ein Gestaltungsversuch gestartet, eine krisendurchzogene Welt zu transformieren.